Meldungen aus dem Bezirksverband Nordbaden
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Otto-Graf-Realschule Leimen: Außerunterrichtliches Lernen für den Frieden

Außerunterrichtliches Lernen für den Frieden: Politisch-historische Studienfahrt der Otto-Graf-Realschule Leimen und des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. nach Frankreich.

Der gemeinsam geteilte Wunsch nach lebendiger Friedenserziehung und mündiger Demokratieförderung bildet den stabilen Rahmen, der die Bildungspartnerschaft zwischen dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. und der Otto-Graf-Realschule Leimen umspannt. Innerhalb dieses Rahmens ermöglichen die dreitägigen politisch-historischen Studienfahrten nach Frankreich eine Farbpalette voller Eindrücke, mit denen sich die Leimener RealschülerInnen der Klassenstufe 9 ihr eigenes, ausdrucksstarkes Bild der bewegten deutsch-französischen Geschichte machen können.

Das Programm rund um die Jugendbegegnungsstätte Niederbronn-les-Bains hat sich zu einem vitalen Lern- und Erfahrungsraum für die RealschülerInnen entwickelt, in dem Themen des Geschichtsunterrichts wie der Erste Weltkrieg und der Nationalsozialismus sowie Themen des Gemeinschaftskundeunterrichts wie die Europäische Union an konkreten Orten begreif- und erfahrbar werden.

Die Perspektive eines Teilnehmers der letzten Fahrt der Klasse 9b vom 13.11-15.11.2019 verdeutlicht den friedenspädagogischen Mehrwert einer solchen Studienfahrt:

„Ich bin am 13. November mit meiner Klasse, der 9b aus der Otto-Graf-Realschule Leimen, in das ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof gefahren. Dieser Tag hat mich sehr berührt. Das ehemalige Konzentrationslager liegt außerhalb des Ortes Natzweiler, welcher im Elsass circa 55 Kilometer von Straßburg entfernt liegt. Natzweiler-Struthof war vom 1. Mai 1941 bis zum 23. November 1944 als Straf- und Arbeitslager in Betrieb. Insgesamt wurden etwa 52.000 Häftlinge dorthin deportiert, davon starben 22.000 Häftlinge durch Ermordung, Kälte oder Mangelernährung.

Zuerst sind wir zu einem Gedenkstein, der circa in 100 bis 200 Meter Entfernung vom Konzentrationslager steht, gegangen. Unter anderem hat der Reiseführer uns die Geschichte einer Bäckerfamilie erzählt. Diese Familie lebte in einem Nachbarort von Natzweiler und brachte das bestellte Brot für das Konzentrationslager. Als das Konzentrationslager den Bäcker nicht mehr für sein Brot bezahlte, beschwerte sich der Bäcker und verweigerte weitere Lieferungen. Daraufhin brachten die Soldaten die Frau und die beiden Kinder des Bäckers an den Exekutionsplatz und erschossen sie. Das jüngste Kind des Bäckers war gerade mal 3 Jahre alt und damit das jüngste Opfer in diesem Konzentrationslager.

Danach gingen wir in das Museum des Konzentrationslagers, in dem die Geschichten und Erlebnisse einzelner Häftlinge an mehreren Tafeln zusammengetragen waren. In einem Raum im Obergeschoss lief ein kurzer Film, welcher das unmenschliche Leben in dem Konzentrationslager darstellte. Im Untergeschoss waren lange Korridore und weitere Tafeln, die Informationen über die Häftlinge enthielten. Zuletzt gingen wir in das Konzentrationslager.

Dort fielen mir als erstes die Stacheldrahtzäune, die Wachtürme und der unebene Untergrund auf. Über dem Konzentrationslager lag eine düstere Stimmung. Dabei ist einiges vom dem Konzentrationslager Natzweiler-Struthof nicht mehr vorhanden, wie beispielsweise einige Baracken. Pflastersteine zeigen die Umrisse der Baracken. Vor den Baracken sind der Appellplatz und ein Galgen. Auf dem Appellplatz mussten die Häftlinge teilweise stundenlang stillstehen. Dabei erfroren viele im Winter.

Neben dem Gelände des Konzentrationslagers gab es einen Steinbruch, indem die Häftlinge unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen Zwangsarbeit verrichten mussten. Desweitern gab es außerhalb des Geländes eine Gaskammer, in der die Häftlinge mit dem tödlichen Gas Zyklon B vergiftet wurden. Neben all diesen scheußlichen Orten des Konzentrationslagers gab es eine Offiziersvilla. In dieser Villa residierten die Offiziere glücklich und zufrieden, ganz anders als die Häftlinge.

Gegen Ende schauten wir uns das Gefängnis und das Krematorium an. In dem Gefängnis wurden in einer Zelle meist bis zu 40 Personen auf einmal eingesperrt. Die Zelle umfasst eine Größe von 8 bis 10 Quadratmeter. Neben den Zellen waren kleine Kammern, welche von den Gefangenen als Loch bezeichnet wurde. Diese kleinen Kammern waren eigentlich für die Beheizung der Zellen vorgesehen, stattdessen nutzen die Wärter diese Räume als Verliese für die Gefangenen, die schlimm bestraft werden sollten.

Eine Kammer war circa ein Quadratmeter groß, in denen die Gefangen bis zu 20 Tage ohne Auslass verbringen mussten. Alle 5 Tage bekamen die Häftlinge in den Zellen Wasser und Brot, die Häftlinge in den Kammern nur alle 10 Tage. Im Krematorium wurde uns der Ofen gezeigt, in dem die Leichen verbrannt wurden. Dieser Ofen erwärmte das Wasser, welches im Nebenraum für die Duschen benutzt wurde. Die Insassen duschten im Unwissen darüber, dass das Wasser durch verbrannte Leichen erwärmt wurde.

Für mich war der Besuch des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof eine enorm wichtige Erfahrung. Ich bin empört und schockiert, welche grausamen Verbrechen Menschen an Menschen verüben konnten. Bevor ich in dem Konzentrationslager war, kannte ich das dunkle Kapitel der deutschen Geschichte nur aus dem Unterricht und Büchern. Jedoch hat diese Reise eine ganz andere, viel tiefere und bleibende Wirkung auf mich. Für mich ist es wichtig, an diese Taten zu erinnern und zu gedenken. Solche grausamen Untaten dürfen sich nie wieder wiederholen.“

Auf dem Programm der Studienfahrt stand neben dem Besuch der Gedenkstätte nationalsozialistischen Unrechts KZ Natzweiler-Struthof der Besuch der Kriegsgräberstätte Niederbronn-les-Bains sowie eine Besichtigung einer Festungsanlage der Maginot-Linie. Außerdem fuhr die Klasse in die Europastadt Straßburg und nahm an einer Führung im Europaparlament und einem Vortrag im Lieu d´Europe teil.

Herzlich bedanken möchten sich alle Beteiligten nicht nur bei den Verantwortlichen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., sondern auch bei der Stiftung „Gedenken und Frieden“, deren großzügige finanzielle Unterstützung die Reise mit ermöglichte. Seit 2017 macht die Unterstützung dieser Stiftung es mit möglich, dass allen Leimenern 9.Klässlern dieser Lern- und Erfahrungsraum offensteht.

Auch der Leimener Firma Häußler & Boileau Bau GmbH gilt unser herzlicher Dank für die vertrauensvolle Unterstützung!

"Autor und Bild: Martin Kohler, Otto-Graf-Realschule"